„ES STEHT DA, AN JEDER ECKE DIE WIR JETZT MIT DEM AUTO PASSIEREN, UND WARTET... EINE WIEDERHOLUNG IM VORÜBER, EIN TOLERIERTER NEBENEFFEKT, ODER EINE VERGESSENE IDEE. DIE AUS FRAGMENTEN GEZEICHNETE KARTE VERSCHMILZT MIT DEM ORT UND BEGINNT WEITER ZU WACHSEN, WIE EIN PARASIT, DER SICH FESTKLAMMERT, UM AN EINER ANDEREN STELLE PRALL UND REIF WIEDER ABZUFALLEN.“
Geschichten erzählen geht unweigerlich mit einer Aneignung des Gesehenen einher. Mit einer Neu- und Überschreibung. Durch das Anblicken erfinden. Ganze Nationen und Staatenverbände gründen auf Ursprungsmythen, die nicht selten auch die Maske für Ideologien hergeben. Die Zeit der „großen Erzählungen" ist angeblich vorbei, gleichzeitig werden wir unablässig auf genau diese Mythen zurückgeworfen.
WER BENUTZT WELCHE INFORMATIONEN UND MIT WELCHEM INTERESSE?
Solchen Fragen und ihren vielschichtigen Implikationen und Widersprüchlichkeiten widmet sich die Online-Plattform RENDEZVOUS3000. Als multimedialer Narrativspeicher stellt sie sich der Frage nach der Erzählung und beschreitet dabei den riskanten Grat zwischen Autonomiebestrebung und der Tendenz zur Selbstauflösung. RENDEZVOUS3000 archiviert. Und interessiert sich für neue Erzählstrukturen, sowie deren Antistrukturen. Sie befragt den Begriff des „narrative storytelling".
WIE ERZÄHLEN WIR UNS DIESE GESCHICHTE?
RENDEZVOUS3000 geht es um das Sammeln, Sichten und Analysieren des Materials. Gesucht werden „Fragmente des Erinnerns", die gesammelt, zersetzt und schließlich transformiert werden. Das Material wird dann durch wechselnde Ordnungssysteme miteinander verknüpft, so dass die daraus resultierenden Narrationen stets ihre eigene Kontingenz mit ausstellen: Alles könnte auch ganz anders sein.
GESCHICHTSTRÄCHTIGE ORTE LADEN EIN. HELDEN BEGLEITEN UNS. SCHLEIFSPUREN DER GEGENWART, TRAURIGE HAUFEN EINSTIGER SCHÖNHEIT SIND NUN SCHÖNE HÄUFCHEN EINSTIGER TRAUER UND BILDEN DIE FAST KITSCHIGE KULISSE EINER SZENE, DIE UNIVERSAL IST, DIE SICH SELBST FORTBEWEGEN KANN UM SCHLIESSLICH IRGENDWO GEGEN DIE WAND ZU FAHREN UND SICH DANN NEU ZU ORDNEN. ALLE WINZIGEN EINZELTEILE FÜGEN SICH ZU ETWAS ZUSAMMEN, DAS ES SCHON EINMAL GAB, ABER IN SEINER MOMENTANEN ZUSAMMENSTELLUNG KOMPLETT NEU IST.
Bis zum Online-Launch-Termin im Jahr 2018 befindet sich die Plattform RENDEZVOUS3000 als Testversion RENDEZVOUS2018 in fortwährender Bearbeitung. Sie versteht sich als Container, als Speicher für die Ablagerung und Sedimentierung des gesammelten Materials. Auf der anderen Seite dient sie der Erweiterung des theatralen Raums, wenn aus ihren virtuellen Schichten Material aktualisiert bzw. performiert wird. Als inszenierte Raumsituation, die zugleich live VJ-Set beziehungsweise lecture performance ist, erproben die beiden Plattform-Autorinnen ANNA-SOFIE LUGMEIER UND EVAMARIA LIANE MÜLLER Möglichkeiten und Grenzen dieser neuen Bühne und laden dazu ein, den Erzählsträngen und Neuordnungen der Plattform an drei Abenden im hothouse for rough translations [h4rt] in München zu folgen.
Evamaria Liane Müller und Anna-Sofie Lugmeier arbeiten seit 2013 am Aufbau ihres dialoghaften Archives. Der Begriff „Rendezvous" wurde aus der Raumfahrt entlehnt und beschreibt die Annäherung zweier Flugkörper im Weltall mit dem gemeinsamen Ziel des aneinander Andockens. Für die Archivauskoppellung RENDEZVOUS2018 begaben sich die Plattform-Autorinnen auf eine dreiwöchige Forschungsreise zu den Wurzeln des griechischen Dramas. Am Ursprung eines europäischen Narrativs suchen sie Beweisstücke für eine neue mögliche Form von Geschichtserzählung. Zentral an der Arbeitsweise der beiden Künstlerinnen ist eine zeigende Geste, die aus dem oszillierenden Archiv akribisch dokumentierter Ausdehnungen und Verschiebungen schöpft. Die szenische Feldforschung und das Rezipieren zeitgenössischer dramatischer Werke beziehungsweise deren Entdramatisierung stehen dabei im Mittelpunkt und ziehen sich als Thema durch all ihre bisherigen Projekte.
RENDEZVOUS2018 wird gefördert durch das Kulturreferat der Landeshauptstadt München